16. 09. 2021 | MFI Asset Management

Odysseus wäre stolz auf seine Griechen!

Sie haben es tatsächlich geschafft. Nach vielen Jahren eines finanzpolitischen Paria-Status, mit Entzug der fiskalpolitischen Autonomie durch die Troika, Entmachtung eines wild gewordenen Finanzministers, der die Mindeststandards politischen und diplomatischen Wohlverhaltens nicht eingehalten hatte, sowie einer Schulden- und Haushaltssituation, die jeden ehrbaren Kaufmann zu einem Konkursantrag getrieben hätte, können sich die Griechen (bzw. der griechische Staat) am Kapitalmarkt wieder zu Konditionen refinanzieren, die unter denen Italiens liegen. So bietet die 30-jährige griechische Staatsanleihe eine Rendite von nur noch 1,51%, während der italienische Finanzminister 1,66% zahlen muss.

Das ist insofern erstaunlich, als das Rating Griechenlands mit BB nach Standard & Poors immer noch im Non-Investment Grade Bereich liegt, während Italien mit BBB- dem Club der Staaten mit Investment Grade Rating angehört. Wie haben die Griechen das geschafft? Haben sie den Investoren - ähnlich wie damals Odysseus bei der Vorbeifahrt an der Insel der Sirenen - Wachs in die Ohren gestopft damit diese unbeeindruckt von den drohenden Risiken auf Kurs bleiben und weiterhin Anleihen kaufen? Oder haben Sie ein Trojanisches Pferd gebaut, in dem versteckt sie wieder Zugang zu den Finanzierungquellen des Kapitalmarktes bekommen haben? Naheliegender ist, dass sich die Griechen wie Odysseus nach der Erfahrung des Besuchs im Hades die Gunst – aber auch die Gefangenschaft - einer Göttin gesichert haben, die sie angenehm und sorgenfrei leben lässt. So wie Calypso Odysseus auf ihrer Insel 7 Jahre lang mit allen Annehmlichkeiten unterhält, werden die Griechen seit der Auflage des Pandemie-Aufkaufprogramms durch die EZB durch fortwährende Käufe ihrer Staatsanleihen wieder unterstützt. Diese Unterstützung war mit Blick auf die Renditeentwicklung sehr effektiv, da das ausstehende Volumen griechischer Staatsanleihen nur lediglich 94 Mrd. € beträgt. Davon hat die EZB seit April 2020 ca. 32 Mrd. €, also gut ein Drittel aufgekauft. Nun liegt die gesamte Staatsverschuldung Griechenlands mit über 345 Mrd. € zwar deutlich über den Anleihen, aber der Rest besteht aus den alten langfristigen EU-Kreditprogrammen aus den Jahren der Eurokrise, die nicht am Markt gehandelt werden.

Der Aufkauf von über 30% des ausstehenden Anleihevolumens innerhalb von 18 Monaten konnte natürlich nicht spurlos am Spread griechischer Anleihen vorbei gehen. Dieser ist gegenüber Bundesanleihen seither um 180 Basispunkte gesunken. Die Ratio zwischen Kaufvolumen und ausstehendem Gesamtvolumen war in Griechenland in dieser Zeit wesentlich höher als in den anderen Euroländern. Dies führte dazu, dass die Rendite im 30 Jahres-Bereich seit kurzen unten den vergleichbaren italienischen Renditen liegt. 

Odysseus wäre stolz auf seine Nachfahren, die es geschafft haben, trotz wesentlich schlechterer Grunddaten günstiger an Geld zu kommen als andere. Italien, bzw. Rom, das seine Gründung ja auch auf einen Griechen zurückführen – Aeneas, den Flüchtling aus Troja - hat mit diesem Vorfahren im Übrigen ebenfalls alle Voraussetzungen, besondere Herausforderungen und Probleme zu meistern. 

Schauen wir also gespannt weiter auf das Schauspiel.